wie ich von der litauischen Polizei abgeführt wurde….

...aber fangen wir von vorne an.

Am Freitag begann unsere Reise durch Litauen. Morgens um neun Uhr holten wir unseren kleinen, roten Opel und auf ging es. Auf dem Weg machten wir einen kleinen Stopp am Schloss Rondale unweit von der litauischen Grenze. Als wir auf das prächtige Schloss zu schritten, fühlten wir uns kurz wie Prinzessinnen, bis wir merkten, dass man sowohl für Schloss-, als auch Parkbesichtigung Eintritt zahlen musste – da wurden wir wieder zum Pöbel. Meiner Meinung nach hat man durch die Fenster und Zaunlatten auch echt genug gesehen! Also fuhren wir laut hupend wieder von dannen und wenig später hieß Litauen uns willkommen.

Unser erstes Ziel war natürlich die Hauptstadt Vilnius. Im Old Town Hostel fanden wir dann einen Schlafplatz in einem 7-Bett Zimmer mit 2 Busfahrern, die allerdings in einer Art Durchgangszimmer schliefen und des Nachts wahrscheinlich öfter von uns geweckt wurden. Aber das tut hier ja wirklich nichts zur Sache.
Wir haben uns genau die richtigen Tage für einen Besuch in der litauischen Hauptstadt ausgesucht, denn an diesem Wochenende war eine Menge los. Neben einem Straßenmusikfestival fand außerdem das Taize-Jugendtreffen in diesem Jahr in Vilnius statt. Tausende von jungen Christen tummelten sich auf den Straßen, hatten Workshops, hielten Gottesdienste. Auch wir ließen uns von dem Treiben anstecken und nahmen an einem Gottesdienst teil. Die Kirche an der Universität war allerdings schon so voll, dass wir und viele andere auf dem Hof der Uni saßen und alles über Lautsprecher verfolgen konnten. Es war schon alles recht beeindruckend und schön, vor allem das Singen litauischer Kirchenlieder, die teilweise auch in eigener Sprache bekannt waren. Danach gab’s erstmal ein Bier. Dann noch eins und dann war der Tag sogar schon rum. Am folgenden Samstag klapperten wir noch einige Punkte auf unserer Touristen-Liste ab, so zum Beispiel das Künstlerviertel Užupis. Als Kunstaktion wurde dieser kleine Stadtteil als unabhängige Republik ausgerufen, die sogar eine eigenen Flagge, einen eigenen Präsidenten und eine eigene Verfassung hat. Das Parlamentsgebäude ist ein Cafe, in dem auch die Verfassung niedergeschrieben ist:

Artikel 1: „Jeder hat das Recht, am Fluss Vilnia zu leben und die Vilnia hat das Recht an jedem vorbei zu fließen“.
Artikel 3: „Jeder hat das Recht zu sterben, es besteht aber keine Verpflichtung dazu“.
Artikel 16: „Jeder hat das recht, glücklich zu sein“.
Artikel 17: „Jeder hat das Recht, unglücklich zu sein“.

Jedes Jahr am 1. April wird auch der Unabhängigkeitstag gefeiert. Das Viertel hat natürlich seinen ganz eignen Charme und hat sogar auch sein eigenes Denkmal.
Am frühen Nachmittag ging’s dann weiter Richtung Trakai. Ein kleines Örtchen nicht weit von Vilnius, was Erholung pur war. Strahlender Sonnenschein, blauer Himmel und schimmerndes Wasser, das wir mit dem Ruderboot überquerten. Also, unsere Ruderkönigin ist eindeutig Nora – sie hätte auch fast ein kleines Wettrennen gegen ein Segelboot gewonnen, hätten die nicht ganz plötzlich beschleunigt…Idioten!
Nach Kaffe und Kuchen stiegen wir wieder in unser Gefährt, um unser nächstes Ziel Kaunas zu erreichen. Dort suchten wir erstmal recht lange einen Schlafplatz und landeten letztendlich in einem 2-Sterne Hotel, das aussah wie ein altes Theater mit Drehtür ins Foyer, langen Gängen mit rotem Teppich und Zimmern mit braun gemusterter Tapete – großartig! Den lauen Sommerabend genossen wir dann mit einem Schlückchen Wein in der schönen Altstadt.
Nach den schrecklichen Doppelstockbetten im Hostel waren die 2-Sterne-Hotel-Betten eine wahre Freude für meinen gequälten Rücken und so ging es am nächsten Morgen frisch und munter weiter an die Küste.
Wir erreichten die Kurische Nehrung! Und wieder: blauer Himmel, Sonnenschein, glitzerndes Wasser…Urlaub!!!! Wir machten eben das, was man so im Urlaub am Meer macht – rumlaufen, Fisch essen, Barfuß laufen, am Wasser sitzen, die ganze Zeit sagen, wie toll es doch ist (und das war es wirklich) und tief durchatmen. Für den Abend kauften wir uns allerhand Köstlichkeiten, die wir uns am Wasser sitzend schmeckend ließen. Zwischen lauter Schwänen (das war auch wirklich so) genossen wir die untergehende Sonne, tranken Bier und spielten ein witziges Spielchen, durch das wir uns noch näher kennen lernen konnten :).
Auch hier hatten wir wieder großes Glück mit unserem Platz für die Nacht. Dank der Verhandlungskünste meiner Reisebegleiterinnen bekamen wir ein Zimmer, diesmal in einem 3-Sterne Hotel, 40% billiger, als veranschlagt!
Der nächste Tag fing sehr schön an – Wanderung über eine der größten Wanderdünen Europas, kurzes Fußanbanden in der Ostsee, „Ich packe meinen Koffer“ mit mindestens 35 Begriffen (wir sind so gut!), Sonne, Fahrt an die Grenze zu Russland – kurzes Winken und wieder los, Wind, Wellenrauschen….glücklich.

Und jetzt kommt der Teil mit der Polizei. Ich gebe ja zu, das Wörtchen „abgeführt“ ist etwas übertrieben gewählt – Handschellen gab es keine – aber Dramatik steigert ja bekanntlich die Neugier und ich musste dem Herrn Wachtmeister tatsächlich ins Polizeihäuschen folgen. Falls ihr schon immer mal wissen wollt, was Polizisten in ihren Pausen machen, ich kann es euch nun sagen – sie gucken „Lilo und Stich“! Jedenfalls lief der Trickfilm gerade, als ich dort rumsaß und das Protokoll meiner Straftat geschrieben wurde. Hui, ich mach es aber auch spannend, also – ich sitz seit Ewigkeiten mal wieder am Steuer eines Autos und nach nur ca. 50 km werde ich von der Polizei wegen zu schnellen Fahrens gestoppt. Super! Für sinnlose 13 km/h zu schnell musste ich in einer Bank in der nächst größeren Stadt 15 Euro bezahlen. Ich habs ja! Aber mir wurde auch schön im Kofferraum des Polizeiautos am Laptop gezeigt, wie ich über die Bergkuppe „geschossen“ kam. Dieser rote Flitzer! Der Polizist war aber ganz nett, so musste ich nur den geringsten Betrag zahlen, die Spanne ging noch erheblich höher. Das war eigentlich auch schon die ach so spannend Geschichte über meine Begegnung mit der litauischen Polizei, aber ich fands witzig! Allerdings kletterte ich, nachdem die Polizei mich zum Glück gehen ließ, auf den Beifahrersitz und ließ Nora erstmal wieder fahren.

Nach einem kurzen Halt in Klaipeda – damit ich meine Strafe bezahlen konnte – gings weiter Richtung Šiauliai, zum Berg der Kreuze. Das war tatsächlich das beeindruckendste, was ich seit langem sah!!! Wir erreichten dieses letzte Ziel unserer Reise erst am Abend gegen halb acht. Die Sonne stand schon sehr tief am Horizont, nur wenige Touristen waren noch dort und ein zugiger Wind wehte. Rings um den Berg der Kreuze ist nichts außer einer kleinen Kapelle und in weiter Ferne ein paar Häuschen. Die Stimmung war wirklich unbeschreiblich. Ein Berg aus mindestens 200.000 Kreuzen – aus Holz, Metall, Plastik, Stein, klein, groß, mit und ohne Kette… Auf einer Treppe und kleinen Wegen konnte man durch den Berg gehen und ringsum waren wirklich nichts als Kreuze, die sich mit dem Wind bewegten und das einzige Geräusch weit und breit machten. Wahnsinn!!!
Pilger kommen das ganze Jahr über zu dem Berg, stellen neue Kreuze auf, verbunden mit einen Wunsch oder Dank. Man kommt an diesem Ort aber einfach nicht umhin zu gedenken, zu wünschen und zu danken, selbst wenn man eigentlich nicht als Pilger kam.
Damit nahmen wir Abschied von Litauen und von einem wirklich sehr schönen Wochenende! Gegen 23 Uhr erreichten wir müde die lettische Hauptstadt und fielen nur noch in unsere Betten, denn am nächsten Tag ging es ja wieder zur Arbeit!

So schön das Wochenende war, so beschissen fing der Dienstag an. Immer noch vollkommen übermüdet, saß ich am Frühstückstisch und wollte schön mein Bio-Brot essen – pff, nichts da. Von wegen Brot. Es waren wohl eher 800 kg (gefühlt) Kümmel mit etwas Brotteig drumrum! Mit diesem Erlebnis ist meine Beziehung zu Kümmel nun endgültig ge- und zerstört. Ekelhaft! Also gabs am Morgen nur Belag und ich hatte mal so richtig schlechte Laune! Und jetzt kommt mein allerliebstes Schwesterherz ins Spiel!! Am Wochenende kam ein Paket für mich an, was ich noch vor der Arbeit abholte. Und was war drin? Als hätte sie es geahnt – zwei Brotbackmischungen!!!! An dieser Stelle noch mal tausend Dank an meine Claudi – du hast mir gestern wirklich den Tag gerettet!! Und ich werde es mir so was von schmecken lassen!

Nun wird allerdings erstmal gearbeitet. Euch allen wieder ein schöne Woche, auf das der Frühling bei euch zurück kommt (man hört ja wirklich schreckliches – 10Grad! pfui!!).

die liebsten Grüße an euch alle,
j
G. (Gast) - 6. Mai, 10:30

man, man, man... purer neid meinerseits! und was die 15 euro angeht, da kann ich dich beruhigen. die musste ich hier schon für 9km/h zahlen! ;-)

lass es dir weiterhin gut gehen...

g.

Hunger (Gast) - 8. Mai, 11:15

Zerlatschter Kiefernzapfen, Eichhörnchen, 28 Paar Schuhe, Noras Schmusepuppe, mundbemalte Porzellanvase, achtköpfiger Drache, Urinella, Stock, filigranes Seidenpüppchen, Fingerhut, 2 Karten für „König der Löwen“ in Hamburg, pittoreskes Bild von A…, Wurstkoffer ... Hab keine Lust mehr. Aber noch n Rechtschreibfehler entdeckt...

Dankalina - 8. Mai, 12:04

An meine kleine Rennfahrerin mit Bio-Brot im Blut:

Liebste Judith,

welch abenteuerliche Geschichten Du hier zum Besten gibst! Da kann unsereins nur neidisch am Laptop sitzen und hoffen, dass das nächste Park-Grill-Event vor der Haustür ähnlich dramatische Wendungen nimmt, sollte Nachbars Hund sich doch eine Wurst stibitzen und einem die Biergrundlage zunichte machen.
Und neben all der Reiserei und Straffälligkeit schaffst Du es auch noch großartige Rezensionen zu schreiben! Das ist der Geist, denn die Jugend braucht: Immer voll dabei, egal bei was! Findsch super!

Küsse,
Danka

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